I. Einleitung    
     
 

I.1. Problemstellung und Ziel der Arbeit

Nach den Erfolgen in den USA hat das Managementkonzept Efficient Consumer Response (ECR) seit einigen Jahren auch in Deutschland Platz in der Fachliteratur und der wirtschaftlichen Praxis gefunden. Der Zweck des Konzeptes sind eine bessere Erfüllung der Kundenwünsche und Erhöhung der Wirtschaftlichkeit durch Kooperation innerhalb der ganzen Wertschöpfungs- und Logistikkette, vom Hersteller bis zum Konsument. (vgl. Danzer 1996, S. 82, Blatzheim und Böttcher 1995, Schröder 1996, S. 82, Zentes 1996, S. 43, Gohlke 1996, S. 42.) Daß es sich dabei teilweise um die neue Sichtweise der traditionellen bertiebswirtschaftlichen und marktlichen Fragestellungen handelt, veranschaulicht sehr gut das Beispiel der einzigartigen Marketingidee der Eigendistributeure der temperaturgeführten Produkte, bekannt auch als sog. "Broker". Schon seit den 60er Jahren entwickeln diese Unternehmen Elemente von ECR unter den Stichworten wie die Konzentration aufs Kerngeschäft, EDI, automatische Bestellungen, Data Warehouse, Cross Docking u.a. (Ahlbrand 1991, S. 145f., Biehl 1997a, S. 44f., 1997b, S. 73, o.V. 1997a, S. 3.)

Die Entwicklungen der letzten Jahren in der Distribution haben einerseits zum Umdenken der bisherigen Zusammenarbeit innerhalb der Marktstrukturen des Groß- und Einzelhandels, sowie der Produktion geführt, andererseits sind sie selbst stark durch explosive Verbreitung der Informationstechnologien und damit einhergehenden Innovationen auf den Gebieten der Kommissionierung, Lagerung, Warenwirtschaftssystemen, des Transportes u.a. beeinflußt. Die Informationstechnologien haben weitgehend zu der Pattsituation in Beziehungen zwischen Handel und Hersteller nach 1980 beigetragen und die Diskussion über die Formen ihrer Kooperation begünstigt. (vgl. Hallier 1995, S. 2-4, Hallerman 1995, S. 18-20, Pfohl 1993, S. J10.) Insbesondere die Steigerung der Zahl der Scannermärkte von 19 1980 auf 17.010 1995 (vgl. Bundesverband des Deutschen Lebensmittel-Einzelhandels e.V. 1996, S. 93.) hat die Position des Handels nachhaltig gestärkt. (vgl. Gerling 1994, S. 22f., Berdi 1997, S. 34f.)

Die u.a. von den "Brokern" übernommene Warenverteilung innerhalb der Kühlkette, die nur mit dem implizite Adjektiv "ununterbrochene" einen sachlichen und wirtschaftlichen Sinn macht, veranschaulicht diese Entwicklungen besonders gut und liefert einen aussichtsreichen Ansatzpunkt für die Zukunftsprognosen in diesem Bereich. Im Rahmen dieser neuen Entwicklungen sei auch der Einfluß der Globalisierung der Wirtschaft auf das Outsourcing der Logistik, die über Erfolg oder Scheitern der international tätigen Firmen, auch in der Lebensmittelbranche, entscheiden kann, genannt. Die durch die Internationalisierung verursachten Belastungen können eine Einschränkung auf das Kerngeschäft erfordern und somit zur Vergabe der Logistikaufgaben an spezialisierte Distributeure ermuntern. Auch der Kostendruck und die Nachfrage der Kunden können viele Unternehmen zum Outsourcing der Distribution und zum Sparen der Arbeits- und Kapitalkosten veranlassen. (vgl. Maier-Roquette 1995, S. 55f., Hornbach 1996, S. 52.)

Ebenfalls ist die wachsende Komplexität der Distribution nicht zu übersehen. Diese Komplexität erfolgt vor allen Dingen aus der Dynamik der modernen Warenverteilungsprozeße, sowie des Einsatzes der netzwerkunterstützten Kommunikation in den Unternehmen und zwischen den Unternehmen und schränkt zunehmend eine kurzfristige Nachahmung der Logistikleistungsfähigkeit durch Wettbewerber. Zu verzeichnen ist auch die steigende Relevanz der Distribution für den Abnehmerwert und damit als Marketingfunktion. (vgl. Kwijas 1995, S. S. 416, "Rationalisierungsansätze und Verbesserungspotentiale im Bereich der Logistik werden eine große Bedeutung erlangen. (...) durch die Kooperation von Industrie und Handel die Kosten etwa um 1,5 bis 2,5% gesenkt werden können. (...) Zur Ausschöpfung dieser Möglichkeiten bietet die Logistik von der Nahrungsmittelproduktion über die gesamte Kette des Handels bis zum Endverbraucher ein immenses Potential.") Um die Kosten der Warenverteilung zu senken und flexiblere Reaktion auf die Nachfrage zu ermöglichen, wird die Koordinierung der Prozesse der Primär- und Sekundärlogistik, insbesondere bestandslose Lagerung, angestrebt. Das Niveau der Logistikleistungen hängt dabei nicht nur von technischen Möglichkeiten ab, sondern auch von Anforderungen des Marktes der temperaturgeführten Produkte, der zur Optimierung der Dienstleistung in bezug auf ihre Kosten zwingt.

Auf dem Markt existieren verschiedene konkurrierende Lösungen der unterschiedlichen Absatzmittler und -helfer, was eine naturgemäß langfristig angelegte Managemententscheidung zugunsten bestimmter Strategie erschwert. Das Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist es, die Struktur der "Broker" (für die in dem zweiten Kapitel dieser Arbeit ein adäquaterer Name - Eigendistributeure - vorgeschlagen wird), zu untersuchen und Entwicklungstendenzen anzuzeigen.

I.2. Vorgehensweise und Aufbau der Arbeit

Um den angekündigten Erkenntnisziel zu erreichen, wurde auf die sekundärstatistischen Quellen, wie Untersuchungen des Marktes, Branchenberichte, statistisches Material, u.ä., sowie Fachgespräche mit Vertretern der Unternehmen und Fachverbände zurückgegriffen. Die Aufteilung der untersuchten Unternehmen wird mit Hilfe der typologischen Methode vorgenommen.

Im Rahmen des zweiten Kapitels wird der Begriff des "Brokers" kritisch erörtert, der Stand der Literatur gezeigt, der Unterschied zwischen den "Brokern" als Absatzhelfern und Absatzmittlern verdeutlicht und anschließend ein neuer Name für diese Unternehmen vorgeschlagen, sowie ein Versuch der Definition unternommen. Der Markt auf dem die "Broker" agieren, wird in dem dritten Kapitel strukturiert. Das Kapitel vier dient der Darstellung der Nachfrage nach den Dienstleistungen der "Broker". Da diese Nachfrage eine abgeleitete Nachfrage ist, wird zunächst die Nachfrage nach den distribuierten Produkten, und dann die Situation des Einzel- und Großhandels kurz gezeigt. Die Unternehmen des Handels sind als Absatzmittler in erster Linie für die Distribution der Waren von der Industrie zum Endverbraucher verantwortlich und sie bedienen sich dabei u.U. auch der "Broker". Darüber hinaus sind die "Broker", wie der Großhandel, mit Ausschaltungstendenzen bedroht, weil sie einerseits einen Teil ihrer Umsätze als Großhandel erwirtschaften, und andererseits wie der Großhandel die Distributionsleistungen erbringen. Die Nachfrage nach der logistischen Dienstleistungserstellung der "Broker" hängt maßgeblich davon ab, ob diese Distributionsleistungen aus den Betrieben der Industrie und des Handels ausgelagert und die "Broker" damit betraut werden. Die Problematik des Outsourcing wird mithin ebenfalls in dem vierten Kapitel berücksichtigt. Das Kapitel fünf befaßt sich dagegen mit dem Angebot der Distributionshelfer, die die Gesamtnachfrage nach den Distributionsleistungen zuungunsten der "Broker" schmälern. Die Darstellung dieser alternativen Offerte bildet den Hintergrund für die Erklärung der Einzigartigkeit und der Dynamik der Marketingidee der "Broker". Das Angebot der "Broker" selbst wird in dem sechsten Kapitel vorgestellt. Im Mittelpunkt des siebten Kapitels seht ein Versuch, die "Broker" zu typologisieren. Die Entwicklung und Perspektiven für die "Broker" wird schließlich im dem achten Kapitel skizziert und mit ihm wird die vorliegende Arbeit geschlossen.


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